Psychomentale Schmerzbewältigungsstrategien
Das Biopsychosoziale Krankheitsmodell als Arbeitsgrundlage für eine wirklich tiefgreifende Therapie von chronischen Schmerzen hat sich international seit über 15 Jahren bestens bewährt. Die darin formulierten Überlegungen zu Ursache und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzerkrankungen kennt jeder Betroffene leider nur zu gut.
Jeder, der an Schmerzen leidet, die nicht wie z.B. ein Beinbruch oder eine Blinddarmentzündung eindeutig zuordenbar sind, entwickelt relativ rasch Ideen und Vorstellungen darüber, woher sein Schmerz seiner Meinung nach kommt, welche Zusammenhänge mit diversen lebensverändernden Umständen bestehen oder auch, warum denn keine der bisherigen Schmerztherapien geholfen hat. Diese ganz individuellen Vorstellungen führen mit der Zeit zu einem geänderten Verhalten, was den Schmerz betrifft - z.B. wird Bewegungsapparatschmerz subjektiv sehr oft als aktivitätsausgelöst bzw. -verschlechternd gesehen und dementsprechend körperliche Schonung und Vermeidung vermeintlicher Überlastungen als hilfreich erachtet. Die dadurch immer schlechter werdende allgemeine Fitness und Muskelfitness führt dann tatsächlich zu immer stärker werdenden Belastungsschmerzen nach längerem Stehen, Gehen oder Alltagstätigkeiten, was die Ausgangshypothese trügerischerweise zu bestätigen scheint. Außerdem führen chronische Schmerzen sehr oft schleichend in eine soziale Isolation, weil man einfach nicht immer wieder auf Fragen wie z.B.: "Na, geht's schon besser?" antworten oder sich verstellen will und sich nicht wieder die zwar gutgemeinten, aber oft abstrusesten Erklärungen und Empfehlungen von Bekannten aussetzen will. Zudem wird jemand, der nach spätestens 1 Stunde sitzen schmerzbedingt aufstehen muß, nicht mehr ins Konzert oder Theater gehen, weil er/sie spätestens nach dem dritten Mal Heimgehen nach der Hälfte des Programmes keinen Sinn mehr darin sieht.
Durch zunehmende auch innere Isolation und zwangsweiser übermäßiger Beschäftigung mit dem Schmerzgeschehen entwickeln sich noch tiefer in die Verzweiflung führende innere Reaktionsmuster, wenn es wieder einmal zu einer Akutattacke kommt oder zum x-ten Mal eine zuerst vielversprechende Therapie fehlgeschlagen hat. Der "Innere Redner" kann zum Beispiel verlauten: "Wenn das jetzt schon so arg ist, werde ich dann in 10 Jahren im Rollstuhl sitzen?", "Wenn das noch einmal auftritt werde ich meinen Job verlieren, Pleite gehen und meine Familie wird auf der Straße sitzen ..." oder "Mein Gott, ich muß unter einer sehr seltenen Tumorerkrankung leiden und keiner erkennt sie!".
Dass dies alles nicht den Humor fördert, sondern fast unvermeidlich in reaktive depressive Zustände führen muß, belegen auch Studien eindrucksvoll:
"50% der chronischen Schmerzpatienten haben auch eine Depression und 50% der Depressiven leiden auch an chronischen Schmerzen!"
Dies wird oft noch dadurch verstärkt, dass viele Bewegungsapparatschmerzen die durchschnittliche Schlafdauer auf unter sechs Stunden drückt, was selbst depressinogen wirkt! Außerdem verwenden Angst, Depression und Schmerz dieselben Neurotransmitter (Nervenbotenstoffe), nämlich Serotonin und Noradrenalin - und bei allen 3 Störungen sind diese Stoffe in zu geringer Konzentration vorhanden. So kann der Schmerz eine vorher nur in Extremfällen auftretende Angststörung hervorlocken oder eine Depression das Entstehen einer chronischen Schmerzerkrankung fördern.
Aus diesen Überlegungen ist die logische Konsequenz, dass der chronische Schmerz nicht nur bezüglich seiner "biologischen" Ursachen therapiert werden muß, sondern auch bezüglich seiner sehr einschränkenden psychosozialen Auswirkungen. Und da haben sich in wissenschaftlichen Studien und in mehr als 20-jähriger Praxis die folgenden psychotherapeutischen "Tricks und Tools" bewährt. Dabei geht es überhaupt nicht darum, dass sich mit dem Erlernen der untenstehenden Methoden die Frage stellt: "Dann ist mein Schmerz also doch psychisch verursacht!?" oder die Inanspruchnahme als Eingeständnis des eigenen seelischen Versagens sieht. Wenn das mitunter schwerst chronifizierte Schmerzgeschehen grundlegend aufgebrochen werden soll, ist es nicht mehr und nicht weniger als die Anwendung einer offenliegenden Weisheit:
"Wir sind körperliche, seelische und soziale Wesen zu gleichen Teilen. Daher ist es nur ein Zeichen von Unwissenheit, davon auszugehen, dass so tiefsitzenden Erkrankungen wie der chronischen Schmerzkrankheit wirklich ausschließlich durch Therapie unseres körperlichen Menschseins beizukommen wäre und nicht durch eine möglichst alle Aspekte umfassende Kombinationstherapie!" |