Das Biopsychosoziale Modell

Beim Herangehen an das Problem "Chronischer Schmerz", und da besonders beim  Rückenschmerz, ist es international schon seit mehr als 20 Jahren üblich, nicht nur die klassische mechanistische Seite des Schmerzproblems zu betrachten. Diese sucht ausschließlich nach dem körperlichen Schaden. Dieser sehr vereinfachte und besonders beim chronischen Schmerz oft zum Scheitern verurteilte Lösungsansatz geht davon aus, dass das Problem Schmerz immer einen eindeutigen und nachweisbaren physischen Schaden als Verursacher hat. "Repariert" man diesen Schaden, ist demnach auch der Schmerz beseitigt und alles wieder in Ordnung.

Wir wissen jedoch, dass sich länger andauernde Schmerzen nicht nur verselbständigen, sondern auch als eigenständige Schmerzkrankheit nach Ausschaltung der Ursache bestehen bleiben können. Zusätzlich hat auch der Leidenszustand "Schmerz" massive Einflüsse auf unser Wohlbefinden, unsere Stimmung, macht agressiv bis hilflos und kann über ein starkes soziales Rückzugsverhalten zu einer zunehmenden Isolierung in Beruf, Familie und Partnerschaft führen. Da unsere subjektive Wahrnehmung von Gesundheit vom funktionierenden Zusammenspiel von körperlichen, seelischen und sozialen Faktoren abhängt, verwundert es auch nicht, daß für die professionelle Krankheitserhebung und Therapieplanung alle drei Ebenen berücksichtigt werden müssen. Es gibt genaue internationale Richtlinien, wie man beim chronischen Schmerz vorzugehen hat. Der Ausschluß einer "schlimmen" Ursache für die Schmerzen, wie z.B. beim Rückenschmerz ein Tumor, Fraktur, Entzündung, Bandscheibenvorfall und ähnliches, ist der erste wichtige Schritt. Liegt eine solche Ursache nicht vor, ist die Wiederherstellung einer normalen Funktionsfähigkeit, sowie eine Schmerzreduktion auf ein erträgliches Ausmaß bis hin zur Schmerzfreiheit das Haupttherapieziel.

Dabei wird auf körperlicher Ebene auf eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit mit Muskelkräftigung, Herz-Kreislaufausdauer Training, Dehnen von verkürzten Muskeln und Verbesserung einer eingeschränkten Beweglichkeit Wert gelegt.

Auf psychosozialer Ebene haben sich besonders die therapeutisch etablierten Entspannungsmethoden wie Muskelrelaxation nach Jacobson, Biofeedback, Hypnose, sowie verhaltensmedizinische Interventionen am besten bewährt. Bereits angelernte Verhaltensfehler, wie Angstvermeidungsverhalten, falscher Umgang mit Medikamenten oder das fehlende Umgehenkönnen mit dem Schmerz, können dabei wieder korrigiert werden. Dabei ist ein primäres Therapieziel die Durchbrechung des Teufelskreises: Schonverhalten ›» daraus resultierende weitere Muskelabschwächung ›» weiter verstärkter Schmerz  ›» und noch intensiveres Schonverhalten!

Im biopsychosozialen Konzept ist die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Gesamtperson das Ziel. Dabei sieht sich der Therapeut mehr als Coach im Team mit dem Patienten, der dem Betroffenen viele Möglichkeiten und Wege eröffnet, mit dem Schmerz besser umgehen zu lernen - dieses Konzept hat langfristig die besten Aussichten auf Erfolg.