Slingtherapie

  

Eine australische Studiengruppe um Hodges fand schon in den 80-er Jahren heraus, dass die lokalen, segmentalen Wirbelsäulenmuskeln und der quere Bauchmuskel (M.transversus abdominis) anders arbeiten und damit auch anders aktiviert werden müssen, als die oberflächliche Rücken- bzw. Rumpfmuskulatur. Dabei konnte diese Arbeitsgruppe zeigen, dass die Wiederherstellung einer suffizienten Stabilisationsfähigkeit in diesen unwillkürlichen Tiefenstabilisatoren hochsignifikant mit einer Verbesserung von Rückenschmerzen verbunden war. Forschungen in den letzten 10 Jahren bewiesen weiterführend, dass diese kleinen, wirbelnahen Muskeln nur reflektorisch (unwillkürlich) bei unerwarteter Auslenkung aus dem gewohnten Gleichgewicht „anspringen“. Dabei zeigte sich, dass diese Muskeln bei rückengesunden Menschen schon kurz vor der Aktivierung der großen Stabilisatoren die Stellung der jeweiligen Wirbel zueinander korrigieren und fixieren – d.h. sozusagen Vorbereitungsarbeit leisten, damit die großen, bewegenden Muskeln eine optimale Wirbelposition vorfinden.

Im Rahmen von Wirbelsäulenbeschwerden konnte gezeigt werden, dass diese Muskeln (inklusive des neuromuskulären Reflexkreises) schon 3-6 Wochen nach Auftreten von Rückenschmerzen schwächer, kleiner und langsamer werden. Dies bewirkt vor allem, wenn wir schnell eine Ausgleichsbewegung machen müssen, dass sich das Verletzungsrisiko- (=Verreissrisiko) signifikant erhöht. Dies stellt aus biomechanischer Sicht ein Kernproblem bei der Chronifizierung des Wirbelsäulenschmerzes dar. 
Rund um 2008 fand die Arbeitsgruppe rund um HP Meier aus Stuttgart gemeinsam mit der TU München heraus, dass beim Arbeiten mit speziellen Schlingensystemen alle Probanden egal welcher Größe, Alter, Gewicht, Geschlecht oder Sportlichkeit nach 20-30 Sekunden im instabilen Stützsetting mit exakt der gleichen Schwingunsfrequenz von 11-13 Hz zu "zittern" begannen. In ihren Untersuchungen konnten sie zeigen, dass diese Frequenz exakt der Eigenschwingungsfrequenz der tiefen, segmentalen Rückenmuskeln entspricht. Da die kleinen, wirbelnahen Rückenmuskeln eine Reflexgemeinschaft mit dem queren Bauchmuskel bilden, kann man damit in der Therapie auch in komplexen Übungsanordnungen genau feststellen, wann die wichtige, unwillkürliche Tiefenaktivierung „eingeschaltet“ ist.

Für die klinische Praxis wurde in Stuttgart ein eigener Therapieansatz begründet, der in einem logischen Aufbau für alle Körpermuskelketten Übungsanordnungen vorgibt, die den Trainingstherapeuten von ganz einfach über mehrere Progressionen bis zu äußerst schwierigen Endpositionen führt. Da das Rückenmark nur 30 Sekunden benötigt, um eine neue Körperposition oder einen Bewegungsablauf abzuspeichern, werden die Einzelpositionen nach ca. diesem Zeitraum pausiert, bis nach einer kurzen Erholungspause die nächstschwierige Bewegungsaufgabe gestellt wird. Letztendlich werden die durch Schonhaltungen bzw. –bewegungen fehlgeleiteten Bewegungsmuster von Grund auf neu „programmiert“.

Wir bei paincare integrieren die Slingtherapie immer erst nach dem Grundaufbau der 3-dimensionalen Wirbelsäulen-, Becken- und Schultergürtelstabilisatoren mit anderen sensomotorischen Therapietools in unser Rekonditionierungs-konzept, weil es sich gezeigt hat, dass der Aufbau einer gute Basisstabilität und Körperwahrnehmung eine unabdingbare Grundvoraussetzung darstellt, um das neuromuskuläre System nicht zu überfordern.
Dieses Vorgehen hat sich insbesonders auch in der komplexen Reha bei Leistungs- und Profisportlern bewährt, die dadurch in einem hohen Prozentsatz wieder auf ein verletzungssicheres Leistungsniveau gebracht werden können.